Portraitfotografie-Tipps: Menschen authentisch und kunstvoll in Szene setzen
Menschen wollen sich zeigen, Menschen wollen sich gefallen. Das Handwerk der Portraitfotografie wandelt einen schmalen Grat zwischen Authentizität und Akzentuierung. In unserer heutigen durch soziale Netzwerke verknüpften Welt präsentieren sich Menschen anhand eines repräsentativen Bildes der Öffentlichkeit. In Bewerbungsmappen oder auf Job-Portalen ist das Portrait der Türöffner, indem es eine Sammlung an Qualifikationen und Fähigkeiten menschlich greifbar macht.
Je nach Einsatzgebiet werden unterschiedliche Forderungen an das Portrait gestellt, entsprechend flexibel muss der Fotograf darauf reagieren und seine technischen Fähigkeiten mit Kreativität und Erfahrung kombinieren. Ganz klar: Als eine der “Königsdisziplinen” ist die Portraitfotografie ein professionelles Handwerk, das Laien beizeiten überfordern kann - trotzdem gibt es einige Portraitfotografie-Tipps, mit deren Hilfe man Zugang zu ihr finden kann.
Aspekte des Portraits
Portrait ist nicht gleich Portrait. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich müssen sie fotografiert werden. Jedes Modell wirkt auf einem Foto anders, bringt unterschiedliche Charakteristika und Persönlichkeitsmerkmale mit sich und hat letzten Endes auch meist ein fest definiertes Bild von sich selbst.
Der Fokus beim Fotografieren liegt in der Regel immer auf dem Motiv. Das Zusammenspiel mit dem, was sich dahinter befindet, ist ein wichtiger Faktor. Denn der Hintergrund bestimmt unter anderem die Stimmung und Farbintensität auf dem Foto. Folgende Aspekte gehören zur Portraitfotografie, die all dies berücksichtigt:
#1: Die Location
Zwar ist das Model der Mittelpunkt des Portraits, aber der örtliche Rahmen ist mitentscheidend dafür, wie gut das Foto gelingt. Die Location bestimmt im Wesentlichen die Lichtverhältnisse und den Hintergrund. Je nachdem, für welchen Zweck das Portraitfoto gemacht werden soll, empfehlen sich verschiedene Orte:
- Das klassische Fotostudio schafft die perfekten Lichtverhältnisse für zielgerichtete Portraitfotografie ohne ablenkende Elemente im Hintergrund. Das gilt z.B. für Bewerbungsfotos, Passfotos und alle solchen Portraits, die sich auf das Wesentliche konzentrieren: Den Menschen. Darüber hinaus hat der Fotograf hier die komplette Kontrolle über die Lichtverhältnisse und kann die Aufnahmen des Shootings sofort präsentieren, bearbeiten, drucken und verkaufen.
- In der freien Natur bei Tageslicht - mit Sonne und Schatten - entstehen Aufnahmen von extremer Authentizität. Hier fangen Sie den Menschen so ein, wie er im öffentlichen Leben wahrgenommen wird. Draussen zu fotografieren stellt den Fotografen allerdings vor Herausforderungen, auf die er flexibel reagieren muss: Lichtverhältnisse bzw. Schatten richten sich eben nach der Laune der Natur, genau wie das Wetter. Manchmal gilt das Motto “Hast du Glück, solltest du es nutzen” - nehmen Sie schöne Tage immer als Möglichkeit wahr, ein Shooting zu organisieren.
- Stadtfotografien erzielen ähnliche Ergebnisse. Beliebt sind Orte wie Industriegebiete, Sehenswürdigkeiten oder altehrwürdige Locations, mit denen das Model womöglich persönlich etwas verbindet. Vielleicht coole Posen vorm Graffiti oder eingerahmt von einem Fenster? In jedem Fall sind hier Orte zu bevorzugen, wo nicht viel Menschenverkehr herrscht und etwa Fussgänger nicht ins Bild geraten. Schliesslich geht es allein um das abzulichtende Motiv, das Model. Natürlich ist auch hier das Licht (Sonne, Reflektionen) abhängig von Tageszeit und Wetter; Locations mit aufregenden Schattenspielen können dem Portrait dann den gewissen Flair verleihen. Den richtigen Spot für eine Fotografie-Session zu finden, ist meistens gar nicht so einfach. Hier gilt es, mit Spaß und Flexibilität vieles auszuprobieren: “Nimm, was du findest, finde, was du willst”.
#2: Das Equipment
Was den Portraitfotografen von den Millionen Menschen unterscheidet, die mit ihren Smartphones Selfies und schnelle Portraitfotografien von ihren Freunden machen, ist die professionelle Ausrüstung. Mit dem Equipment entstehen die Profi-Bilder, die Sie von der Masse abheben. Das gehört dazu:
- Die Kamera: Logisch, die Kamera ist Ihr Hauptwerkzeug und definiert Sie als Fotografen. Bei der Portraitfotografie ist empfohlen, auf eine Kamera zu setzen, die den Einsatz vieler verschiedener Objektive ermöglicht und in hohen ISO-Bereichen möglichst wenig rauscht. Gerade was das Rauschen angeht sollte jede Kamera einem Testlauf unterzogen werden. Indem Sie die Kamera mit verschiedenen ISO-Werten testen und die Bilder am Computer anschließend vergrößern, entdecken Sie den für Sie idealen ISO-Wert - bei dem ist das Bildrauschen am geringsten. Abhängig von der Größe der Portraits beim Druck sollte die Kamera eine entsprechende Auflösung (in Megapixel) haben.
- Das Objektiv: Beim Objektiv ist eine entsprechende Brennweite entscheidend, am besten ab 70 mm (Festbrennweite). Bei der Portraitfotografie soll das Modell so authentisch wirken, wie möglich - dann hilft ein entsprechend engerer Blickwinkel, der die Proportionen 1-zu-1 ablichtet. Aus diesem Grund sollten Sie Fisheye- und Superweitwinkel-Objektive vermeiden. Außerdem sind Objektive mit Festbrennweite denen mit Zoom vorzuziehen: Sie bekommen bei der Portraitfotografie einfach bessere Ergebnisse. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt zudem die Blende, die Öffnung im Objektiv, durch die das Licht auf den Sensor der Kamera trifft. Je grösser Sie die Blende öffnen, umso mehr Licht kommt durch. Bei kleinerer Blende können Sie das Motiv besser fokussieren - das kann bei der Portraitfotografie wertvoll sein.
- Der Faltreflektor: Faltreflektoren sind leichte, aber sehr nützliche Werkzeuge für Portraitfotografen. Mit Hilfe der klappbaren Barrieren können Licht- und Windverhältnisse entscheidend manipuliert werden. Es gibt vier Arten Faltreflektoren, sie sich für den Portraitfotografen lohnen: Der goldene Reflektor erzeugt warmes Licht und ist bei trübem Wetter extrem praktisch. Der silberne Reflektor ist hingegen an sonnigen Tagen praktisch, um störenden Schlagschatten zu verringern. Mit dem weißen Reflektor können Sie kühlere Beleuchtung erzeugen, während der schwarze Reflektor das Licht gar nicht zurück wirft.
Das ist erst einmal genug, um loszulegen. Natürlich gibt es Zusatz-Equipment, wie verschiedene Blitze, Lichtformer, Foto-Software, Stative und vieles mehr. Zusatzausrüstung ist praktisch, ohne Frage - aber jedem angehenden Portraitfotografen sei an dieser Stelle empfohlen, erst einmal minimalistisch anzufangen und dann nach Bedarf nachzurüsten: “Nutze nur, was du auch wirklich brauchst.”
#3: Die Technik
Was Portraitfotografien von anderen Fotos, z.B. Landschafts-Schnappschüssen unterscheidet, ist der Fokus. Hier ist ein Mensch abzubilden, alles andere ist nur schmückendes Beiwerk. Eine beliebte Portrait-Technik ist, den Hintergrund unscharf darzustellen, um die volle Aufmerksamkeit auf das Modell, das menschliche Gesicht, zu legen. Das können Sie erreichen, indem Sie das Modell etwa im engen Ausschnitt fotografieren. Sie können ebenfalls auf eine lange Brennweite setzen. Damit dennoch der Hintergrund bzw. der Abstand zwischen Modell und Hintergrund erkennbar ist, sollte die Blende möglichst groß sein - dann entsteht die Unschärfe im Hintergrund automatisch. Das Spiel zwischen Schärfe und Unschärfe kann bei der Portraitfotografie hervorragende Ergebnisse bringen - probieren Sie es selbst aus!
Hier ein Tipp zum Scharfstellen: Achten Sie darauf, dass mindestens ein Auge des abzulichtenden Menschen scharf ist, im Idealfall beide. Die Augen spielen bei der Portraitfotografie eine immens wichtige Rolle und dienen für die meisten Bilder als Ankerpunkt vom Kopf bzw. Zentrum der Aufmerksamkeit. Wenn Sie Probleme beim Scharfstellen haben, kann übrigens ein Stativ Abhilfe verschaffen. Der Blitz bleibt im Ideafall aus (um etwa Licht-Reflektionen in den Augen bei der Fotografie zu vermeiden), aber auch das ist kein in Stein gemeisseltes Gesetz.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Portrait-Aufnahme ist die Belichtungsmessmethode. Brennweite, Belichtungszeit, Blende und Lichtempfindlichkeit spielen hier eng zusammen. Bei höherem Blendenwert bzw. kleinerer Blende muss die Belichtungszeit entsprechend länger sein. Da kann der AV-Modus Ihrer Kamera womöglich Abhilfe verschaffen, denn dadurch wird die Belichtungszeit automatisiert. Als Messmethode wird übrigens die Spotmessung bei der Portraitfotografie empfohlen, um die Belichtung vor allem auf das Model zu richten.
Einen Menschen zu fotografieren stellt Sie allerdings auch vor eben zwischenmenschliche Aufgaben: “Du fotografierst nicht alleine - fotografiere zusammen”. Entdecken Sie die Besonderheit an Ihrem Model; sprechen Sie mit Ihrem Gegenüber, um herauszufinden, welche Akzente gesetzt werden sollen: welche Pose, welche Atmosphäre, welcher Ausdruck (lachen, Lächeln, ernsthaft, eine Grimasse), Bewegung oder Stillstand, einen bestimmten Moment - Die besten Portraits fangen nicht nur das Gesicht, sondern lassen auch den Charakter, die Natürlichkeit des Menschen fühlen. Das erfordert schliesslich mehr als ein “schön Lächeln!” Das kann man schwer beibringen, sondern ergibt sich aus Talent, Erfahrung und Kreativität. Dafür braucht man die richtige Perspektive. Aber wie bei jedem Handwerk gilt: Übung macht den Meister - also legen Sie los!
#4: Die Nachbearbeitung
Die Nachbearbeitung mit Bildbearbeitungssoftware wie Photoshop, Gimp oder ähnlichen Programmen holt das letzte Potential aus Ihrem Portrait heraus. Dabei ist es wichtig, das Originalbild nicht zu sehr zu verfälschen (also umgangssprachlich zu “photoshoppen”). Nicht retuschieren, sondern Akzente setzen - darum geht’s! Es ist aber auch wichtig, mit dem Model zu sprechen. Sollen z.B. Muttermale, Falten oder Sommersprossen weniger auffallen? In vielen Fällen wollen Sie das gar nicht, sonst berauben Sie dem Portrait seine individuelle Note. In jedem Fall steht der Wunsch des Models aber über Ihrem Urteil.
Die meisten guten Programme verfügen über Werkzeuge, die sich direkt an Fotografen richten, und dabei sind diese besonders für Portraitfotografen entwickelt. Hautretusche-Tools machen das editieren kinderleicht - als würden Sie einen Make-Up-Stift über das Gesicht fahren. Farbliche Korrekturen wie die Tonwertkorrektur ist auch meist in wenigen Schritten erledigt. Bei der Wahl der passenden Software gilt Photoshop als Branchenprimus, und das aus gutem Grund. Einsteiger können sich gut am kostenlosen Programm Gimp versuchen. Allerdings sollte man immer folgendes Motto im Kopf behalten: “Machst du ein schlechtes Foto, rettet das kein Programm dieser Welt”.
#5: Der Druck
Ein schlechter Druck kann hervorragende Portraitfotos für den Betrachter zunichte machen. Portraitfotografien leben oft vom Detail und der Farbfülle, die uns menschlich greifbar macht. Leider stellen schlecht eingestellte PC-Monitore Fotografien manchmal verfälscht dar, sodass das Ergebnis des Druckens oft nicht mit dem Bild auf dem Bildschirm übereinstimmt. Die ursprüngliche Absicht der Wirkung wird verfälscht. Generell sei an dieser Stelle ein Monitor mit IPS-Panel empfohlen, dieser ist farbtreuer und erlaubt einen grösseren Blickwinkel.
Weitere Schnittstellen, die beachtet werden sollten, sind Drucker, Druckertreiber, Fotodrucker-Software und Kamera. Ihr Drucker sollte Fotografien mit einer Auflösung von 300 dpi drucken können. Halten Sie Ihre Treiber auf aktuellem Stand, um Berechnungsfehler zu vermeiden. Wenn Sie Ihre Kamera direkt an einen Drucker anschließen, sollten Sie die Einstellungen kritisch überprüfen. In jedem Fall sind hier mehrere Testläufe angeraten.
Portraitfotografie dem Profi überlassen?
Portraitfotografie kann ein sehr schönes Hobby sein, das auch Ihren Mitmenschen sehr viel Spaß macht. Nehmen Sie doch mal eine Gruppe Freunde mit zu einer interessanten Location und machen Sie tolle Bilder, an denen sich alle lange erfreuen können. Die einen oder anderen bekommen so neue Profilbilder für soziale Netzwerke. Vielleicht kann man aus den Fotos eine gemeinsame Erinnerung in Form einer Collage oder eines Posters machen? Wir hoffen, mit diesen Portraitfotografie-Tipps ein paar Anreize geschaffen zu haben.
Portraitfotografie ist auf der anderen Seite ein professionelles Handwerk mit langer Tradition, das in den Händen erfahrener Fotografen entsprechende Ergebnisse erzielen kann. Als Fotograf in Zürich merke ich immer wieder, wie begeistert meine Kunden von professionellen Portraits sind: “Das bekommt man ja nur beim Profi-Fotografen”. Viele Portraits erfüllen dabei ganz bestimmte Zwecke, wie Passbilder oder Bewerbungsfotos. Aber auch das lang geplante Familienfoto oder Verlobungsbild gibt man lieber in die Hände erfahrener Fotografen. Schließlich verfügen die auch über die beste Nachbearbeitung (immer in enger Kooperation mit den Models) und die beste Drucktechnik. Ganz zu Schweigen vom professionellen Studio, dem mächtigsten Werkzeug des Profi-Fotografen.